Es gibt Menschen, zu denen du dich hingezogen fühlst, die du auf Anhieb magst und verstehst. Das liegt meist an deren Persönlichkeit. Bei Marken ist es genauso. Von manchen bist du begeistert, während andere dich regelrecht abstoßen. Und wieder andere sind dir schlichtweg egal, lösen gar nichts in dir aus. Das liegt meist genauso an der Persönlichkeit, denn ja, auch Marken haben eine Persönlichkeit: Die Markenpersönlichkeit.
Die Markenpersönlichkeit spiegelt die Werte und Eigenschaften der Marke wider. Wofür sie steht, was ihre Vision ist, was sie wie für dich tun kann, wie sie handelt, mit Kunden umgeht usw. Die Markenpersönlichkeit ist dafür verantwortlich, welche Gefühle eine Marke in dir auslöst.
Ob du eine Marke toll findest oder nicht, hängt also größtenteils davon ab, wie die Markenpersönlichkeit ist. Vielleicht gibt es Marken, von denen du dich instinktiv angezogen fühlst, aber nicht mal genau erklären kannst, warum das eigentlich so ist.
Um das zu erklären, dürfen wir uns ein bisschen tiefer mit der Markenpersönlichkeit beschäftigen und was sie formt. Die Markenpersönlichkeit wird davon geprägt, welchen Persönlichkeitstyp bzw. Archetyp diese Marke verkörpert.
Was sind Archetypen?
Diese Persönlichkeitstypen, Archetypen, sind von allen instinktiv verstandene Grundmuster und Verhaltensweisen. Unbewusst haben wir alle eine Vorstellung von bestimmten Persönlichkeitstypen. Wir erkennen diese Muster, auch „Urbilder“ genannt, die für bestimmte Eigenschaften und Gefühle stehen. Wir verstehen, wie sich ein bestimmter Typ verhält, obwohl wir es nie bewusst „gelernt“ haben.
Denn Archetypen sind universell und werden unabhängig von Herkunft, Sprache und Lebenssituation verstanden. Aufgrund von kulturellen Aspekten können die Vorstellungen leicht variieren.
„Als Archetypus oder geläufiger Archetyp, Plural Archetypen, bezeichnet die Analytische Psychologie die dem kollektiven Unbewussten zugehörig vermuteten Grundstrukturen menschlicher Vorstellungs- und Handlungsmuster.„
„Archetypen sind definiert als psychische (auch psychophysische) Strukturdominanten, die als unbewusste Wirkfaktoren das menschliche Verhalten und das Bewusstsein beeinflussen.“
Quelle: Wikipedia
Jeder Archetyp steht für bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die wir unbewusst erkennen und in denen wir uns – je nachdem welcher Typ – auch wiedererkennen.
Archetypen spiegeln unsere Stärken und Schwächen, Glaubenssätze, Standpunkte, Ängste und Eigenschaften. Sie lösen bestimmte Emotionen aus und sprechen unsere Bedürfnisse und (Ur)Sehnsüchte an.
Wenn sich jemand beispielsweise wie ein Rebell verhält, oder wie ein Held, wird das unabhängig der Lebenssituation, Herkunft oder Sprache intuitiv verstanden.
Soziale Rollen
Zum besseren Verständnis hilft vielleicht der Vergleich mit den unterschiedlichen Rollen, die Menschen in ihrem Leben ausführen. Damit meine ich Rolle nicht negativ im Sinne davon, dass sich ein Mensch nicht authentisch verhält, eine Rolle „spielt“. Sondern im Sinne einer sozialen Rolle, im Rahmen unserer unterschiedlichen Aufgaben und Handlungsmuster.
Familiär nehmen wir die Rolle als Kind, Mutter oder Vater ein. Im Arbeitsleben sind wir vielleicht Angestellte, Unternehmer oder Freigeister. Und für jede Rolle gibt es allgemeine „Grundvorstellungen„, obwohl jeder seine Rolle natürlich ganz individuell ausgestaltet.
Auch im Freizeitleben gibt es unterschiedliche Rollen. Im Sport gibt es welche, die als Helden bezeichnet werden, die kraftvoll und mutig ihre Mannschaft zum Sieg führen (bei körperbetonten Sportarten). Wer im Schach Meister ist, kann natürlich genauso als Held betitelt werden, wird wahrscheinlich aber eher als Weiser, als schlauer Denker wahrgenommen.
Oder nehmen wir unsere Schulzeit. Hier gab es den Klassenclown, den Streber, den Cliquen-Anführer…
Ich selbst fühle hier beim Schreiben in mir Widerstand, weil es mir eigentlich widerstrebt, so in Mustern zu denken, denn natürlich ist jeder weit mehr als ein Rollenbild. Jeder ist ein Individuum mit seiner ganz eigenen Persönlichkeit.
Doch in der Wahrnehmung der Menschen existieren diese allgemeinen Vorstellungen und Verhaltensmuster. Ob du willst oder nicht, wirst du in den Köpfen der Menschen, bewusst oder unbewusst, in irgendwelche Schubladen gesteckt.
Da steckt auch überhaupt nichts Böses dahinter – dieses Einordnen in bestimmte Schubladen macht es unserem Gehirn nämlich leichter, Informationen abzuspeichern und auch wieder hervorzuholen, uns an etwas zu erinnern.
In der Markenbildung kannst du dir das bewusst zu Nutzen machen.
Woher stammt das Prinzip der Archetypen?
Das Prinzip der Archetypen stammt aus der analytischen Psychologie und geht auf den Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung (1875 – 1961) zurück, der es ca. 1930 etablierte.
Jung beschäftigte sich unter anderem mit Mythen, Märchen, Träumen und Vorstellungsbildern aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen. Er fand heraus, dass gewisse Vorstellungsbilder – unabhängig und nicht voneinander beeinflusst – immer wieder auftraten.
„Er beobachtete «… typische Formen, die spontan und mehr oder weniger universal, unabhängig von Tradition, in Mythen, Märchen, Phantasien, Träumen, Visionen und Wahngebilden auftreten».“
Quelle: Wikipedia
Obwohl das Konzept der Archetypen aus heutiger wissenschaftlicher Sicht nicht belegbar ist, dient es im Bereich der Markenbildung als hilfreiche Systematik um strukturiert, einheitlich und stimmig aufzutreten.
Mythen und Missverständnisse
1. Missverständnis: Es gibt DIE x Archetypen
Immer wieder höre ich „Jung erfand die 12 Archetypen“ oder „es gibt diese x Archetypen“. Das Konzept der Archetypen gilt als offenes Konzept, das heißt es gibt keine exklusiven Definitionen von Archetypen und keine bestimmte Anzahl. (s. Archtyp (Psychologie)).
Auch gibt es nicht DIE Bezeichnung für einen bestimmten Archetypen. Oft werden unterschiedliche Namen für den gleichen (Ursprungs-)Archetyp verwendet, beispielweise für den Beschützer auch Mutter (Vater) oder DienerIn. Jung beschäftigte sich ursprünglich tiefer mit Archetypen, die er „die Anima, die Mutter, den Schatten, das Kind, den weisen alten Mann, die Geister der Märchen und die Trickster-Figur“ nannte (Quelle: Butler-Bowdon, T. (2013): 50 Klassiker der Psychologie).
Die genaue Anzahl und Bezeichnung ist also nicht bekannt.
Im Marketing haben sich 12 Ausprägungen durchgesetzt, die beispielsweise Margaret Mark und Carol S. Pearson in ihrem Buch „The Hero And The Outlaw“* beschrieben haben. Diese 12 Archetypen nutze ich in der Markenbildung. Das Buch kann ich empfehlen, wenn du dich tief mit der Thematik beschäftigen möchtest. Es ist erhältlich als gebundene Version und auf dem Kindle.
Diese 12 Archetypen mit denen ich arbeite sind:
- Held
- Rebell
- Magier
- Unschuldige
- Entdecker
- Weise
- Beschützer
- Herrscher
- Schöpfer
- Liebende
- Witzbold
- Jedermann
Der Einfachheit halber nutze ich die männliche Version. Später werde ich die unterschiedlichen Typen näher beschreiben.
2. Missverständnis: Archetyp als konkreter, starrer Persönlichkeitstyp
Ein weiteres Missverständnis ist, dass ein Archetyp als eine konkret ausgearbeitete bis ins Detail beschriebene starre Persönlichkeit verstanden wird. Das ist allerdings nicht der Sinn eines Archetypen, sondern ein Archetyp ist lediglich eine Grundstruktur, in der sozusagen die Eckpfeiler der Persönlichkeit definiert sind. Dazwischen gibt es viel Spielraum, dem Persönlichkeitstyp individuell Leben einzuhauchen.
Der „Archetyp“ ist nicht eine konkrete Vorstellung, sondern „eine Tendenz, Vorstellungen zu erzeugen, die sehr variabel sind, ohne ihr Grundmuster zu verlieren.
Quelle: Wikipedia Archetyp und Archetypisches Bild
3. Missverständnis: „Nur so was esoterisches“
Erst kürzlich bekam ich in einem Gespräch über Archetypen wieder die Antwort: „Ach so ist das, ich dachte, das sei nur so was spirituelles, esoterisches“.
Archetypen sind ein tiefenpsychologisches Konzept aus der analytischen Psychologie, und können als „Tool“ fürs Marketing genutzt werden. Einige Beispiele von größeren Unternehmen findest du hier: Diese 12 Archetypen sollten Sie kennen.
4. Missverständnis: Das ist nur was für große Unternehmen
Ja, wie gesagt verwenden viele große Unternehmen das Konzept der Archetypen. Das können aber Solo-Unternehmer genauso machen, für sie ist es ebenso hilfreich. Immer wieder höre Stimmen à la „Als ich von den Archetypen hörte, war das ein AHA-Erlebnis für mich. Seither verstehe ich manches besser und es fühlt sich vieles leichter an“.
5. Missverständnis: Dann sind viele Marken gleich?
Wenn nur 12 Archetypen verwendet werden, gibt es folglich viele, die den gleichen Archetypen nutzen. Sind dann viele Marken ganz ähnlich?
Nein, im Gegenteil. Mit den Archetypen kannst du dich sogar besser vom Wettbewerb abheben. Denn Marketing-Archetypen dienen hier nur als Grundgerüst.
Jeder Archetyp mehrere Ausprägungen (Subtypen) und verfügt über eine breite Palette an Verhaltensweisen. Außerdem füllt jede Marke das Grundgerüst auf ganz individuelle Art und Weise. Oft werden zwei Archetypen kombiniert, um sich noch besser abheben zu können.
Manchmal werden sogar drei Typen kombiniert. Doch Achtung: Davon rate ich ab. Denn je mehr Archetypen im Spiel sind, desto größer ist die Gefahr, dass das klare Bild wieder verwischt. Bei der Kombination von zwei Archetypen ist Fingerspitzengefühl gefragt.
6. Missverständnis: Das ist Manipulation
Wenn wir bewusst Gefühle hervorrufen wollen, ist das doch Manipulation?
Nein, wenn du mithilfe der Archetypen bei den Menschen bestimmte Sehnsüchte ansprichst oder Gefühle weckst, heißt das nicht, dass du manipulierst. Sondern es heißt nur, du legst einen ganz wichtigen Grundstein. Du sprichst in einer Sprache, die dein Kunde versteht – sinngemäß gesprochen vielleicht sogar in seinem Dialekt. Er versteht genau, was er von dir bekommt und kann dann eine eigene Entscheidung treffen. Ob er dein Produkt braucht oder nicht, und ob er bei dir kauft oder nicht.
Die 12 Archetypen im Marketing
Eine ausführlichere Beschreibung findest du hier: Die 12 Archetypen im Marketing.
Die Archetypen sprechen unterschiedliche Grundbedürfnisse und Sehnsüchte an. Sie sind dahingehend in 4 Kategorien eingeteilt.
Mehr zu den 4 Archetypen-Kategorien bzw. Grundmotivatoren kannst du hier nachlesen: Die 4 Kundensehnsüchte.
Ein guter Start zum Finden des passenden Archetyps ist mein Quiz „Welche Markenpersönlichkeit bist du?„.